elRapido

lento? rapido!

Hamburger Senat will Kinder- und Jugendarbeit kürzen. Morgen Demo!

Bild: Amrei Fiedler

Hamburg ist eine arme Stadt. Das wenige Geld, welches ihr noch geblieben ist, muss in überlebenswichtige Projekte wie die Elbphilharmonie gesteckt werden, um das soziale Ansehen der Hansestadt zu bewahren.

Leider fallen da schon mal andere, sozial weit weniger bedeutsame Einrichtungen hinten über. Aber wozu sonst hat man eine Schuldenbremse, als mit ihr Streichungen bei so langweiligen, wenig prestigeträchtigen Bereichen wie der offenen Kinder- und Jugendarbeit zu begründen.

Man kann ja nicht anders, es muss ja sein.

Dass dieses Vorgehen nicht nur eine falsche Weichenstellung ist, sondern die gesamte offene Kinder- und Jugendarbeit Hamburgs gefährdet, ist nicht hinnehmbar. Die Einrichtungen befinden sich bereits am finanziellen Limit und werden mit den erneuten Kürzungen nicht ihre bisherigen Aufgaben erfüllen können. Das Ergebnis wird sein, dass viele Kinder und Jugendliche durch das soziale Netz fallen und keine Anlaufpunkte mehr finden werden, an denen sie adäquate Hilfestellung erhalten können.

Der Senat möchte die Kinder- und Jugendarbeit so weit wie möglich im Rahmen der Schule (jetzt in den ganztägig betreuten Schulen bis 16 Uhr) oder mit Hilfe der Sozialräumlichen Hilfen und Angebote, unter Federführung des Allgemeinen Sozialen Dienst, stattfinden lassen.

Niedrigschwellige Arbeit funktioniert unter diesen Bedingungen nicht. Gerade diese niedrigschwellige Arbeit hilft Kindern und Jugendlichen, die es am meisten benötigen, die durch andere Einrichtungen nicht erreicht werden können und häufig keine alternative Möglichkeit zur Selbstentfaltung besitzen.

Es gibt keine Alternativen zur Offenen Kinder- und Jugendarbeit!

Gegen die Streichungen wird am morgigen Donnerstag in der Innenstadt Protestiert. Hier der Aufruf vom Deutschen Berufsverband für soziale Arbeit:

Am 12. April um 17:00 Uhr tagt im Hamburger Rathaus der Familien-, Kinder- und Jugendausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft.

Er vertritt die Belange von Kindern, Jugendlichen und Familien in Hamburg, für die gerade massive Einsparungen in den Bereichen Offene Kinder- und Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit und Förderung der Erziehung in der Familie vom Senat ab 2013 geplant werden.

Diese Entscheidung möchten die Nutzer_innen der Angebote, Pädagog_innen und andere verhindern. Deshalb findet von 16:30 bis 17:00 Uhr eine Kundgebung auf der Reesendammbrücke am Jungfernstieg statt.

Erwartet werden zahlreiche Menschen aus ganz Hamburg, die sich für eine kinder-, jugend-, und familienfreundliche Stadt Hamburg einsetzen: laut und in Orange!

Conny Fiedler vom Netzwerk Offene Kinder und Jugendarbeit hat die Thematik sehr gut auf einem Flyer zusammengefasst, weswegen ich den Text hier mit hineinstelle.

Bauspielplätze, Kinder- und Familienzentren, Spielhäuser, Jugendclubs, Häuser der Jugend, Mütterzentren und Beratungseinrichtungen: Genau jene Angebote also, die direkt in den Quartieren und Stadtteilen liegen und für AnwohnerInnen, für Kinder, Jugendliche und Familien schnell und einfach erreichbar sind, sollen ab 2013 massiv zurückgefahren werden.

Um insgesamt 3,5 Millionen Euro will der Hamburger Senat die Gelder für diese bezirkliche Arbeit kürzen; eine annähernd gleich hohe Summe soll noch im Bereich der überregionalen Förderung und bei den kommunalen Einrichtungen gekürzt werden. Das Kürzungsvolumen läge dann bei rund 7 Millionen Euro. Dabei wird seitens des Senates so getan, als ob es sich bei diesen Angeboten um freiwillige Leistungen handeln würde, die man eigentlich gar nicht finanzieren müsste.

Das ist eindeutig falsch! Für die Einrichtungen der Offenen Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Familien besteht eine gesetzliche Förderungspflicht seitens des Hamburger Senates!!! Kinder und Jugendliche brauchen Freiräume, wo sie sich:

  • unkompliziert und selbstbestimmt treffen könnten
  • in denen sie sich selbst erproben können
  • in denen sie soziale Kompetenzen wie Konfliktfähigkeit etc. lernen können
  • in denen sie direkt und unmittelbar an der Ausgestaltung der Aktivitäten beteiligt sind
  • in denen sie verlässliche AnsprechpartnerInnen vorfinden
  • in denen sie Mensch sein können, Wertschätzung erfahren und die so einen notwendigen Beitrag zu einem gelingenden Aufwachsen bieten

 

Auch die von Politik und Senat wiederholt geforderte Zusammenarbeit von Jugendarbeit und Schule braucht verlässliche und langfristige finanzielle und personelle Rahmenbedingungen. Der Wegfall bzw. die Einschränkung der Jugendarbeit reduziert die Möglichkeiten des Aufbaus fachlich sinnvoller Arbeitszusammenhänge und die Entwicklung gemeinsamer, neuer Bildungsinhalte- und formen. Für viele Eltern in den Stadtteilen werden diese Kürzungen massive Einschränkungen zur Folge haben. Der unkomplizierte Zugang zu Unterstützungsangeboten wie Kinder- und Familienzentren und anderen niedrigschwelligen Angeboten im Stadtteil (beispielsweise SAE) sowie die damit verbundenen Beratungs- und Treffmöglichkeiten in der Nachbarschaft und im Nahraum würden wegfallen.

Der in Zusammenhang mit den Kürzungen vom Senat ins Spiel gebrachte Ausgleich der wegfallenden Gelder durch Mittel aus dem Programm der Sozialräumlichen Hilfen und Angebote (SHA) hält einer näheren Betrachtung nicht stand: Bei der Umsetzung dieses Programms wurde immer der Erhalt bzw. sogar der Ausbau der Infrastruktur und nicht deren finanzielle Kürzung vorausgesetzt! Sozialräumliche Angebote sollten das Handlungsspektrum dieser Einrichtungen offensiv erweitern, damit sie in die Lage versetzt werden, Familien, Kindern und Jugendlichen bei Bedarf auch intensivere Unterstützungen anbieten zu können. Gleichzeitig sollten dem ASD erweiterte Handlungsoptionen an die Hand gegeben werden. Einer solchen Ausrichtung als Ergänzung haben sich die Fachkräfte der Offenen Arbeit nie verweigert.

Mit der massiven Kürzung und drohenden Zerschlagung von Einrichtungen der OKJA, der Familienförderung und der Sozialräumlichen Angebotsentwicklung wird das SHA-Programm scheitern; das eine kann ohne das andere nicht erfolgreich funktionieren.

Wir fordern den Hamburger Senat auf, die beabsichtigten Kürzungen in vollem Umfang zurückzunehmen und zukünftig für eine nachhaltige und verbindliche Absicherung der Arbeitsfelder Sorge zu tragen!

Weitere Informationen finden Sie auf der Internetseite des Netzwerk Offene Kinder und Jugendarbeit – www.Nokija.de

 

Interessierten ist die Sammlung an Zeitungsartikeln auf der Nokija – Homepage ans Herz gelegt. Dort gibt es zu dem Thema eine ganze Menge an Berichten.

Nachtrag: Bei Facebook gibt es eine Seite des Bündnisses “Offen bleiben: Kinder- und Jugendarbeit in Hamburg!” mit weiteren Informationen.

posted by Juan Castro in Gesellschaft/Politik and have Comments (6)

6 Responses to “Hamburger Senat will Kinder- und Jugendarbeit kürzen. Morgen Demo!”

  1. Julcia sagt:

    An Kindern, die sich nicht wehren können, lässt sich am leichtesten sparen! Ein Hoch auf die Elbphilharmonie!

  2. Pitzy sagt:

    Das macht mich sooo wütend! Was ich aber nie verstanden hab: warum haben Kinder keine Lobby??? Jeder müsste sich doch für sie einsetzen – sie sind doch unsere Zukunft! Warum wird mehr über eine völlig schwachsinnige Erhöhung der Pendlerpauschale diskutiert als über eine bessere Versorgung der Kinder?

    • Juan Castro sagt:

      Kinder, besonders aus sozial schwachen Familien, haben kein Geld. Also haben sie keine Lobby. Traurig aber wahr. Außerdem kosten Verbesserungen in diesem “Nicht-Produktiv-Sektor” Geld und die positiven Effekte werden nur schwer unmittelbar sichtbar. Also kann man damit schwer Wahlkampf machen. Bei der Pendlerpauschale spricht man eine Zielgruppe direkt an und kauft sich so ihre Stimmen. Dann ist es auch egal, wie schwachsinnig und teuer so eine Änderung ist. Erstaunlich nur, wieso sich dann von vielen Seiten verwundert über die Politikverdrossenheit der Bevölkerung geäußert wird. Die Leute, die über bessere Bedingungen für Kinder und Jugendliche entscheiden, haben ihre eigenen schon perfekt mit Privatschule, Geigen- und Tennisunterricht ausgestattet. Denen ist der “prekäre Rest” vollkommen egal.
      Und man muss sich mal vorstellen, dass diese Änderungen von Hr. Scheele, SPD, vorangetrieben werden!
      Wenn der Vorschlag von der FDP gekommen wäre…Ok, hätte mich nicht verwundert.

  3. Sehr gute Zusammenfassung!
    Es git zu dem Thema auch eine Gruppe bei Facebook:
    https://www.facebook.com/groups/390378280990803

Place your comment

Please fill your data and comment below.
Name
Email
Website
Your comment